ARS POETICA
Und der Schatten entschlurfte seiner Eiche:
Nimm mich mit
in mir klingt Poesie.
Und ein rostiges Gartentor schepperte irgendwo:
Nimm mich mit
in mir klingt Poesie.
Und die Sonnenuhr,
die sonst unter Wolken verstummt ...
Und das Buntglasfenster der Kirche,
so auf Distanz zu allem Irdischen ...
Und das nie gelesene Buch ...
Und der Letzte auf dem Bahnsteig ...
Und das Schachbrett ...
Und die Marktfrau ...
Und er nahm sie alle mit,
setzte sich nieder
bei Blatt, Feder, Tintenfass
und aus Reichtum an Alltäglichem
wurde Reichtum des Alltäglichen.
DIE SCHLAGKRAFT DER IRONIE
kommt dein feind mit zuschlaghammer,
dem groben, antworte du mit skalpell,
dem fein geschliffenen - kommt dein
feind mit zeter und mordio, dem rohr-
krepierer, klaube du in deinem arsenal,
über kimme und korn ein gezielter schuss
ironie, sokratisch versteckt oder bitter
beißend - doch keine überdosis, soll nicht
töten, lebt genüsslich von langzeitwirkung.
und hat der haifisch auch zähne, sein lächeln
hinterlässt keine schmauchspuren, draußen
aber vor seinen ringmauern liegt waterloo.
VERDICHTETE LEER-RÄUME
...............
...
verse
entwortet
......
......
nur-angedachtes
verwortet
......
......
schnörkellos
schattierte schemen
schwappen über
voll der magie
......
des
nicht-gesagten
...
...............
REISE DURCH GEOMETRIA
Da war ich einst
DREIECK
spitz und eckig
klare Kante
ein Rebell
Die Jahre machten aus mir
QUADRAT
FÜNFECK
SECHSECK
noch immer eckig wohl
aber blickrichtungs-reicher
rundum-schauender
Heute bin ich
KREIS
alle Ecken am Leben abgestoßen
von der Zeit poliert und geschliffen
in mir abgerundet
INFLATIONÄRES
Nackt!
Pudelnackt!
Splitterpudelnackt!
Realste Realität
bestürmt, überrollt,
erstickt jede zweite Chance -
verscherbelt
das Aphrodisische der Venus
auf dem Trödel ...
Nacktheit, die echte wahre,
lebt von Sich-Nur-Erahnen-lassen,
U-Bahnabluft durch Marilyn Monroes Biographie -
offenbart sich höchstenfalls
im kühnen Versteck-Spiel-Moment,
diesem Sharon-Stone-Beinüberschlag.
Doch nackt,
einfach nur n.a.c.k.t -
Blick,
wo willst du jetzt noch hin?
GÖTTERDÄMMERUNG
abendwolkenumhangener Olymp
felsenzerklüftet
wo Zeus, die Allmacht, zwischen Blitz und Donner
auch die Eifersucht der Hera bezwingt,
dieser unter einem Keuschbaum geborenen -
wo Hestia am Herd die Familieneintracht bewahrt
und Hephaistos das Feuer
mit Schmiedehammer und Amboss -
wo Poseidon von Quellen und Flüssen auszieht,
sein Dreizack die Seeleute über gefährliche Meere geleitet,
wo mit goldenem Ährenkranz
Demeter zur Fruchtbarkeit die Jahreszeiten wechseln lässt -
abendwolkenumhangener Olymp
felsenzerklüftet
schicksal- und sagenumwoben
wo unter der weisen Athena Olivenbaum
Apollo die neun Musen mit seiner Lyra beschwört -
wo Artemis in mondheller Nacht wilde Tiere zähmt,
jungfräulich und keinem Manne untertan -
wo Ares Fackel und Speer durch blutige Kämpfe schwingt -
doch Aphrodite eher mit Reizen bezaubert,
dem Menschen die Leidenschaft zum Geschenk -
wo Hermes, listiger Händler und beflügelter Bote,
auch morgen wieder
die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt führt -
abendwolkenumhangener Olymp
felsenzerklüftet
schicksal- und sagenumwobene
GötterNacht
IM ALLEINGANG
Knicke den letzten Ast
die letzte Orchidee
Verscheuche den letzten Schmetterling
das letzte Zutrauen
Kneble das letzte Lächeln
Erschieße den letzten Arlecchino
Da hisst der Weltuntergang die weiße Fahne
und zieht sich geschlagen zurück -
haben sie’s also doch
von alleine geschafft
NUR EINEN …
So mancher dürfte nicht sterben -
nie und nimmer
dürfte nicht
... die Mit-Aufrechtem-Rückgrat-Gehenden
... die Unblasiert-Gestrickten
... die Auf-Du-Kumpelhaften
... die Pfiffig-Humorigen
... die Einfach-Gesunden-Menschenverstandes
... die Ihren-Stallgeruch-noch-Kennenden
So mancher dürfte eben nicht sterben -
nie und nimmer
dürfte nicht
Und bei Milliarden und Milliarden
am Stammtisch des Lebens
wird Gott doch hoffentlich
irgendwo
irgendwie
irgendwann
irgendeinen
doch wenigstens EINEN
dieser Reinen
vergessen
DANN FINDET KEINE ZUKUNFT MEHR STATT
Wenn niemand mehr
das morsche Holz durchlüftet,
Dann ...
Wenn alte Haudegen
ihre Seele verramschen,
Dann ...
Wenn alles nur auf Spießigkeit
vor sich hin köchelt,
Dann ...
Wenn kantige Galionsfiguren
zu Placebo entarten,
Dann ...
Wenn Visionen
in Sperrbezirke verbannt werden,
Dann …
Ja – genau dann!
AUSSICHT
Seilschaften an der Eiger-Nordwand
am Annapurna
an antarktischen Gletschern
Seilschaften allseits ringsumher
auf den Gefilden der Geltung
den Fluren der Macht
den weiten Breiten des Nervus Rerum
Stricke und Knoten
aus gezogenen Fäden
Nur den Sherpas
die alles schultern und achseln
zwielichtige Weglagerer vertreiben
Wind und Wolken deuten -
ihnen bleibt die Aussicht
auf die Aussicht
verborgen verhehlt
COMEBACK
Erschöpft am Boden
liegt die Welt
nach Regen Wind und Sturmstrapazen
Und jede Schnecke jeder Käfer
jeder Grashalm jedes kleinste Stück Natur
ermutigt sie
spornt an
sich wieder aufzurappeln
für den neuen Tag
SCHIEßET NICHT AUF DEN PIANISTEN
Quirlige Finger und rhythmisch
bei Swing and Jazz and Blues -
doch an very-busy Nadelstreifen
perlt Schönes nur ab.
Moonlight-Serenade & Memory
mit sinnlicher Klaviatur verführend -
doch Diva und Lover
kokettieren ohnehin schon
an ihrem letzten Tequila-Sunrise.
Dann eben improvviso,
die wahre Mystik des Piano-Man,
dieses improvviso
nur seinen Tasten zuliebe –
denn was hier dem Entstehen
auch gleich wieder entschweift,
ist dennoch für sie
jeden Abend erstmalig und neu.